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Das Marktgleichgewicht1.2.3 Komparative StatikHaushaltstheorie
Auf dem Dingermarkt hat sich die gleichgewichtige Situation eingestellt. Eines Tages aber wird dieser harmonische Zustand gestört, als sich herausstellt, dass Dinger die Umwelt nicht unerheblich belasten. In der Regierung wird diskutiert, Dinger zum Schutze der Umwelt zu besteuern.
Diese Diskussion sorgt im Verband der Dingerindustrie für helle Aufregung. Wie man erfahren haben will, sollen die Hersteller für jedes produzierte Ding 1,00 € an den Staat abführen. Besteuert werden soll also die Menge (Bemessungsgrundlage). Natürlich macht man sich im Verband Gedanken, welche Auswirkungen diese Stücksteuer auf den Markt haben wird. Dabei interessiert man sich weniger für die Einführungs- und Übergangsphase, sondern für die mittel- bis langfristigen Auswirkungen, die die Steuer mit sich bringt, wenn sich der Markt wieder beruhigt haben wird.
Geplant ist somit ein Vergleich der derzeitigen Gleichgewichtssituation mit einer hypothetischen neuen Gleichgewichtssituation nach Einführung der Steuer. Diesen Vergleich bezeichnet man als komparative Statik, da zwei statische Zustände (die beiden Gleichgewichte) miteinander verglichen werden. Der Übergang vom einen in den anderen Zustand wird dabei nicht betrachtet. Die Modellierung der Übergangsphase wäre auch ungleich schwieriger zu bewerkstelligen und erforderte den Einsatz dynamischer Modelle.
Die Störung des ursprünglichen Gleichgewichts, in unserem Fall die Einführung einer Steuer, bezeichnet man als exogenen Schock. Diese Störung erklärt sich nicht aus dem Marktmodell selbst, sondern wird sozusagen von außen (exogen) zugeführt. Weitere Beispiele für exogene Schocks auf dem Dingermarkt wären die Entdeckung eines neuen Produktionsverfahrens für Dinger, die Preisänderung bei einem Konkurrenzprodukt oder eine systematische Änderung im Einkommen der Dingerkonsumenten. Alle Faktoren, von denen wir vermuten können, dass sie sich (merklich) auf die Lage der Angebots- oder Nachfragefunktion auswirken oder das Marktgleichgewicht auf andere Art stören (z. B. staatlich administrierter Preis) werden als exogener Schock bezeichnet.
Im Verband der Dingerindustrie herrscht eine Vorahnung, dass die Steuereinführung für die angeschlossenen Unternehmen nichts Gutes verheißt. Vereinzelte Meinungen gehen aber dahin, dass man die Steuer ja auf die Konsumenten abwälzen könne. Da hierüber aber Meinungsverschiedenheiten bestehen und Unklarheit herrscht, beschließt man, zunächst einige ausgewählte Verbandsmitglieder zu befragen, wie sie auf die Steuereinführung reagieren würden.
Im ersten Unternehmen, das aufgesucht wird, werden Dinger zu Stückkosten von 4,50 hergestellt. Beim derzeitigen Marktpreis von 6,00 € macht das Unternehmen pro Ding einen Profit von 1,50 €. Befragt nach den erwarteten Auswirkungen der Steuereinführung äußert sich der Unternehmer zusammengefasst wie folgt: Wenn sich der Marktpreis nicht verändert, werden wir weiterhin so viele Dinger produzieren, wie unsere Kapazität zulässt. Natürlich ist das ärgerlich, wenn wir pro Ding 1,00 € abführen müssen. Dadurch würde unser Stückgewinn von 1,50 € auf 0,50 € fallen.
Nach dieser ersten Befragung hat man im Verband eine schlaue Idee: es lohnt sich gar nicht, die Befragung fortzuführen, weil jeder Befragte seine Antwort einleiten wird mit den Worten "Wenn sich der Marktpreis nicht verändert ...". Momentan weiß aber niemand, wie sich der Marktpreis verändern wird. Trotzdem liefert die Antwort des ersten (und einzigen) Befragten in ihrem zweiten Teil den entscheidenden Hinweis, mit dem sich weiterarbeiten lässt. Der Produzent wird Dinger herstellen, solange es sich lohnt. Er rechnet zwar damit, dass der Gewinn pro Stück (und insgesamt) sinken wird, aber da er weiterhin an Dingern verdient, wird er sie auch weiterhin anbieten. Durch die Steuer steigen seine Kosten pro Stück von 4,50 € auf 5,50 €. Das heißt, er wird Dinger produzieren, wenn er wenigstens 5,50 € pro Ding erlösen kann.
Preis |
Angebot
[in 1000] vor Steuereinführung |
Angebot
[in 1000] nach Steuereinführung |
4,00 |
1,8 |
- |
4,50 |
31,5 |
- |
5,00 |
95,4 |
1,8 |
5,50 |
129,6 |
31,5 |
6,00 |
180,0 |
95,4 |
6,50 |
230,4 |
129,6 |
7,00 |
255,6 |
180,0 |
7,50 |
281,7 |
230,4 |
8,00 |
299,7 |
255,6 |
8,50 |
313,2 |
281,7 |
9,00 |
- |
299,7 |
9,50 |
- |
313,2 |
Das wird bei den anderen Anbietern nicht anders sein. Von allen besitzen wir Informationen über die Stückkosten. Die Steuereinführung wird in allen Unternehmen die Stückkosten um den Steuerbetrag in Höhe von 1,00 € erhöhen.* Das bedeutet, dass die Menge, die bisher zum Preis von 4,00 € angeboten wurde, nun zum Preis von 5,00 € angeboten wird; die Menge, die bei einem Preis von 5,00 € als Angebot geplant wurde, wird jetzt zu einem Preis von 6,00 € angeboten u.s.w. u.s.w.
Machen wir uns das noch einmal an dem einen befragten Unternehmer klar. Ausgangs hatte er Stückkosten in Höhe von 4,50 €. Also haben wir ihn mit seinem Angebot in der Tabelle bei den 31.500 Stück gefunden, die angeboten werden, wenn der Preis wenigstens 4,50 € beträgt. Nach Einführung der Steuer hätte er Kosten in Höhe von 5,50 €, denn zusätzlich zu seinen Produktionskosten muss er ja pro Stück 1,00 € an den Staat zahlen. Also finden wir sein Angebot jetzt erst bei 5,50 wieder. Da das für alle anderen Anbieter vollkommen analog gilt, "rutschen" die Angebotsmengen in der Tabelle genau um den Steuerbetrag nach oben.
In der Ausgangssituation gab es zwei Unternehmen mit Stückkosten unter 4,00 €, die zu diesem Preis ihre Produktion von je 900 Stück angeboten hätten. Zu diesem geringen Preis finden wir nun natürlich kein Angebot mehr vor. Wenn eines der Unternehmen z. B. Stückkosten von 3,92 € hatte, dann müsste es nach Steuereinführung wenigstens 4,92 € erlösen, sodass sich die Produktion noch lohnt.
Da wir nun festgestellt haben, dass in der Angebotstabelle jede eingetragene Menge um den Steuerbetrag "nach oben rutscht", verschiebt sich die daraus konstruierte Angebotsfunktion ebenfalls um den Steuerbetrag nach oben. Das wird in der nebenstehenden Abbildung gezeigt.
Die Angebotsfunktion, die die Steuer berücksichtigt, ist in der gleichen Art und Weise konstruiert worden, wie die ursprüngliche Angebotsfunktion. Der Abstand zwischen den beiden Funktionen entspricht dem Steuerbetrag. Konnten wir ausgangs zu einem Preis von 5,50 € ein Angebot von ca. 130 tausend Stück ablesen, ist jetzt infolge der Steuer ein Preis von 6,50 € notwendig, um die gleiche Angebotsmenge hervorzurufen.
Beachten Sie, dass wir auch hier wieder streng ceteris paribus argumentieren. Die einzige Änderung, die wir zulassen, ist die Einführung der Steuer. Tatsächlich wäre aber z. B. Folgendes denkbar: Die Anbieter sehen sich mit zusätzlichen Kosten belastet und werden daher versuchen, an anderer Stelle Kosten einzusparen. Hätten die Anbieter zuvor nicht schon zu minimalen Stückkosten produziert, dann würden sie evtl. noch Einsparmöglichkeiten finden. Das brächte aber unsere gesamte Analyse durcheinander und wir könnten die reine Wirkung der Steuer nicht sauber von den Auswirkungen der Einsparbemühungen der Anbieter trennen.
Um zu sehen, wie sich die Steuereinführung auf den Marktpreis für Dinger auswirkt, tragen wir die Nachfragefunktion in das Marktdiagramm ein. Das können wir tun, da die Steuer die Nachfragewünsche der Wirtschaftssubjekte nicht beeinflusst. Wer für 5,00 € angegeben hat, ein Ding kaufen zu wollen, warum sollte er es nicht mehr für 5,00 € zu kaufen bereit sein, wenn es mit einer Steuer belastet ist?
Natürlich, dagegen kann man etwas einwenden. Wenn es den Konsumenten nicht gleich ist, wofür sie letztendlich bezahlen, dann könnte die Steuereinführung tatsächlich auch einen Einfluss auf die Lage der Nachfragefunktion haben. Z. B. könnte ein Raucher sich über eine Tabaksteuererhöhung so ärgern, dass er zum Nichtraucher wird. Hingegen hätte er eine Preissteigerung infolge höherer Lohn- oder Tabakkosten vielleicht klaglos hingenommen. Oder ein Autofahrer schränkt seine Kraftstoffnachfrage ein, weil er der Regierung die Mineralölsteuer nicht gönnt. Das ist aber sehr unwahrscheinlich und wird - wenn es solches Verhalten überhaupt geben sollte - nicht merklich ins Gewicht fallen. Das macht man sich allein schon über den Gedanken klar, dass zahlreiche Konsumenten überhaupt nicht informiert sind, welcher Anteil des Preises, den sie für ein Produkt entrichten, in Form von Steuern an den Staat geht.
Wir erkennen aus der Abbildung, dass sich die gehandelte Menge erwartungsgemäß vermindert und der Dingerpreis ebenso erwartungsgemäß steigt. Für Überraschung sorgt aber vielleicht das Ausmaß der Preisänderung. Von der Steuer in Höhe von 1,00 € kommen bei den Konsumenten nur etwa 50 Cent in Form des gestiegenen Preises an.
Woran liegt das? Am einfachsten macht man sich das klar, wenn man spezifische Anbieter und Nachfrager betrachtet. Greifen wir einen Anbieter heraus, der sich beim ursprünglichen Preis von 6,00 gerade so im Markt halten konnte. Wie Sie sich vielleicht erinnern, werden solche Anbieter als Grenzanbieter bezeichnet. Mit der Steuerbelastung kann sich der Anbieter nicht mehr im Markt halten. Er findet zu Preisen über 6,00 € keine Nachfrager. Wie diesem Anbieter geht es in der Dingerindustrie noch einigen anderen. Sie können ihre Kosten nicht mehr decken und scheiden aus dem Markt aus.
Auf der Nachfrageseite finden wir Nachfrager, deren Zahlungsbereitschaft gerade bei 6,00 € oder knapp darüber lag. Nun hatten wir aber festgestellt, dass im Marktprozess die Nachfrager mit der höchsten Zahlungsbereitschaft zum Zuge kommen. Das führt bei dem Angebotsrückgang dazu, dass die Nachfrager mit der geringeren Zahlungsbereitschaft das Produkt nun nicht mehr erhalten. Die Steuer wird quasi wie ein Keil zwischen Angebot und Nachfrage getrieben.
Das Ergebnis, dass im betrachteten Beispiel von der Steuer in Höhe von 1,00 € gerade die Hälfte im Preis "ankommt", kann man nicht verallgemeinern. Wie wir später sehen werden, hängt der Anteil der Steuer, den die Anbieter über den Preis an die Konsumenten weitergeben können, sowohl von den Kostenstrukturen in den Unternehmen als auch von der Zahlungsbereitschaft der Konsumenten ab, in der die Dringlichkeit zum Ausdruck kommt, mit der sie das Produkt erwerben möchten. Es ist nicht verwunderlich, dass sich eine Steuer um so leichter überwälzen lässt, je dringlicher die Konsumenten auf das Produkt angewiesen sind.
Wenn wir diese Frage hier noch nicht im Detail klären können, erkennen wir doch immerhin, dass die Steuer nicht nur von denen getragen wird (faktische Steuerinzidenz), die sie auch faktisch an den Staat abführen (gesetzliche Steuerinzidenz). Das ist ein weit verbreiteter Irrglaube und parallel dazu zu sehen, dass der Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung keineswegs nur die Arbeitgeber belastet.
Abschließend betrachten wir noch einige Flächen im Diagramm. Zunächst können wir die rot schraffierte Fläche als Steuereinnahme des Staates identifizieren. Die Höhe des Rechtecks entspricht der Steuer pro Stück, denn sie ist gleich dem Abstand der beiden Angebotsfunktionen. Die Länge entspricht der im Gleichgewicht gehandelten Stückzahl. Beides miteinander multipliziert ergibt den Steuerumsatz.
- "Die Steuer vernichtet Arbeitsplätze in der Dingerindustrie."
- "Eine Steuer schadet nur den Konsumenten, da die Anbieter die Steuer einfach über den Preis weitergeben."
- "Wenn der Staat die Einkommensteuer um die Einnahmen aus der Dingersteuer vermindert, hat die Dingersteuer keinen Einfluss."
Eine weitere Feststellung, die wir anhand des Diagramms treffen können, ist, dass der Staat seine Steuereinnahme nicht als "ursprüngliche Gleichgewichtsmenge mal Steuersatz" kalkulieren darf. Er muss - und das war bei seiner umweltorientierten Steuer ja durchaus beabsichtigt - den Rückgang der gehandelten Menge berücksichtigen.
In der Ausgangssituation entsprachen die Dreiecksflächen SPR und SPQ der Produzenten- und Konsumentenrente. Da wir nun die Steuereinnahme des Staates als Teil dieser Fläche finden, können wir formulieren, dass der Staat mithilfe des Steuerinstruments Produzenten- und Konsumentenrente abschöpft. Die hellgelbe und hellbraune Fläche entsprechen der verbleibenden Produzenten- und Konsumentenrente. Bis auf ein kleines weißes Dreieck beim ursprünglichen Marktgleichgewicht teilen sich die ausgangs vorhandenen Renten also auf in Steuereinnahmen, neue Produzenten- und neue Konsumentenrente. Das weiße Dreieck, das ursprünglich aus Konsumenten- und Produzentenrente bestand, ist in der neuen Situation verloren und wird Allokationsverlust genannt. Wir kommen später darauf zurück.